Forschung enthüllt: Menschen erleben „Zeitdehnungen“ im Alltag

Psychologe Steve Taylor untersucht das Phänomen der Zeitwahrnehmung unter extremen Bedingungen

Der britische Psychologe Steve Taylor von der Leeds Beckett University hat das faszinierende Konzept der sogenannten „Zeitdehnungs-Erfahrungen“ (TEEs) beleuchtet, die unter außergewöhnlichen Umständen stattfinden können, ähnlich dem berühmten „Bullet Time“ aus dem Film „The Matrix“. In einem Essay für The Conversation beschreibt Taylor, dass diese Erfahrungen möglicherweise eine evolutionäre Anpassung darstellen, die uns in lebensbedrohlichen Situationen helfen soll.

Zahlreiche Menschen, mit denen Taylor während seiner Forschungen sprach, berichteten von TEEs, die meisten erlebten diese in Momenten der Gefahr, beim Sport oder in veränderten Bewusstseinszuständen, die durch Meditation oder Halluzinogene hervorgerufen wurden. Laut seiner Schätzung haben etwa 85 Prozent der Menschen mindestens einmal eine solche Erfahrung gemacht.

Der Psychologe begann seine Untersuchung dieses Phänomens nach einem Autounfall im Jahr 2014, bei dem er mit seiner Frau in einen Zusammenstoß mit einem großen Lkw verwickelt war. In diesem Moment fühlte es sich an, als würde „alles in Zeitlupe“ ablaufen. „Ich schaute nach hinten, und die anderen Autos schienen sich unglaublich langsam zu bewegen, fast so, als wären sie eingefroren“, erinnert er sich. Die intensive Detailwahrnehmung und die Klarheit des Denkens, die in diesen entscheidenden Momenten auftreten, prägen das Wesen der TEEs und scheinen weit über eine bloße Reaktion auf Adrenalin hinauszugehen.

Während seiner Forschungen, die er in seinem neuen Buch „Time Expansion Experiences“ dokumentiert, stieß Taylor auf die Theorie, dass der Zeitdehnungseffekt möglicherweise lediglich ein Gedächtnistrick sei. In kritischen Momenten, so die Theorie, werde die Wahrnehmung hyperbewusst, und diese gesteigerte Klarheit würde später in unseren Erinnerungen festgehalten.

Taylor und die Mehrheit der Personen, die TEEs erlebten, sind jedoch überzeugt, dass sie tatsächlich „extra Zeit zum Denken und Handeln“ hatten, und zwar in dem Moment selbst und nicht nur im Nachhinein. „Die Zeitdehnung erlaubte komplexe Gedanken- und Handlungsketten, die unmöglich gewesen wären, hätte die Zeit mit normaler Geschwindigkeit vergangen“, erklärt er.

Obwohl viele Aspekte menschlicher Wahrnehmung geheimnisvoll bleiben, wissen diejenigen, die jemals in den Genuss eines „Matrix“-ähnlichen Bullet-Time-Gefühls gekommen sind, dass es sich dabei um eine sehr reale Erfahrung handelt.

Aber was bedeutet das für unser Verständnis von Zeit, Wahrnehmung und Psyche? Vielleicht ist die Antwort genauso kompliziert wie die von uns erlebte Zeit selbst.

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